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Alte Historische Fotos und Bilder Gossau, Kanton Zürich
Wappen Gossau ZH

Städte der Welt • Liste von Gemeinden und Städte in Schweiz

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Geschichte von Gossau, Kanton Zürich in Fotos

Eine kleine historische Referenz

Geographie: Gossau ist eine politische Gemeinde im Bezirk Hinwil des Schweizer Kantons Zürich. Sie liegt im Zürcher Oberland, im oberen Glatttal zwischen Wetzikon und Forch.

Zur Gemeinde Gossau gehören die Ortschaften resp. Wachten Bertschikon, Grüt, Ottikon, Herschmettlen und Gossau-Dorf. Hinzu kommen einzelne Weiler wie der Hellberg oder die Brüschweid.

Gründungszeitpunkt:

Einwohner: 9968

Geschichte:

Sehenswürdigkeiten:

Blick auf Gossau, 1909
Blick auf Gossau, 1909
Blick auf Gossau, 1925
Blick auf Gossau, 1925
Blick auf Gossau, um 1945
Blick auf Gossau, um 1945
Blick auf Gossau, 1947
Blick auf Gossau, 1947
Blick auf Gossau, 1957
Blick auf Gossau, 1957
Blick auf Gossau, 1957
Blick auf Gossau, 1957
Gossau. Pfarrkirche erbaut 1820-21, 1932
Pfarrkirche erbaut 1820-21, 1932
Gossau. Seidenweberei an der Tannenbergstrasse, 1925
Seidenweberei an der Tannenbergstrasse, 1925

Geschichte

Mittelalter

Die allgegenwärtige Kirche

Im frühen Mittelalter setzt sich in der nachmaligen Schweiz das Christentum als Religion durch. Im Zuge der Missionstätigkeit werden zahlreiche Klöster gegründet. Das Kloster St. Gallen fasst dank einer Schenkung der alamannischen Beata-Landolt-Sippe in Gossau Fuss und baut hier auf dem Berg die Marienkirche, die 777/780 erstmals in einer Urkunde erwähnt wird. Als das Kloster Rüti 1414 das Kirchengut übernimmt, baut es anstelle der ersten Kirche eine neue im gotischen Stil. Von der alten Kirche erhalten geblieben ist heute nur noch der Unterbau des Kirchturms, der aus dem 12. Jahrhundert stammt.

Auch weitere Klöster sind in der Region präsent. Das Kloster Einsiedeln ist bis ins Spätmittelalter Besitzer des Weilers Leerüti. Grüt, Brüschweid und Hellberg sind Lehen des Ritterhauses Bubikon, das noch heute dem Johanniterorden gehört. Die frühen Kirchen sind der Mittelpunkt von Pfarreien, ein Treffpunkt für Märkte, Spiele, Feste und Versammlungen. Auf dem Friedhof finden Gerichtstage, Eheschliessungen und rituelle Handlungen statt. Vor allem aber wacht die Kirche auf dem Berg als mächtigste örtliche Institution über Recht und Unrecht, über Zucht und Ordnung in der Bevölkerung. Als oberster Sittenwächter wird der Pfarrer vom Stillstand unterstützt, dem in Gossau 14 Mitglieder angehören. Sünderinnen und Sündern werden vom Stillstand vor den Eingängen der Kirche öffentlich bloss gestellt.

Die wichtigste Einnahmequelle der Kirche ist der Zehnten, den der Pfarrer im Namen des Klosters bei den Bürgern der Kirchgemeinde einzieht. In Gossau liefern die Bauern diesen zehnten Anteil ihrer Erträge im Pfrund-Lehenhaus neben der Kirche ab, dem heutigen Restaurant Alpenblick. Einen Teil davon darf der Pfarrer behalten, den grössten Teil aber muss er dem Kloster abliefern.

Die Herrschaft der Kirchen und Klöster beginnt erst im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit zu bröckeln, als der Stadtstaat Zürich seine Macht auf der Zürcher Landschaft verfestigt.

Die Allmacht der Grundherren

Das Gebiet um Gossau wird im frühen Mittelalter von einem komplexen Geflecht aus weltlichen oder kirchlichen Grundherren beherrscht. Die Machthaber, Geschlechter aus dem Hochadel, Klöster oder Kirchen, haben das Land von Königen oder Fürsten zum Lehen erhalten. Als Verwalter solcher Grundbesitze fungieren Angehörige des niederen Adels oder wiederum Klöster und Kirchen, die oft von Adligen für genau diesen Zweck gestiftet worden sind. Der Hochadel ist im Zürcher Oberland mit den Lenzburgern, den Kyburgern und den Habsburgern vertreten.

Die Grundherrschaft bleibt bis in die frühe Neuzeit die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Machtstruktur im ländlichen Raum. Der Grundherr bestimmt nicht nur über die Nutzung und Vergabe der landwirtschaftlichen Flächen, sondern verfügt als Schutzherr, Polizist und Richter auch über umfassende Vollmachten. Die Bauern, die in einer Grundherrschaft leben, sind zumeist Leibeigene, die ihr Stück Land ebenfalls als Lehen erhalten haben.

Neben diesen Hörigen gibt es aber auch freie Bauern. Sie müssen dem Kloster oder dem adligen Grundherrn zwar ebenfalls Abgaben zahlen, bewirtschaften aber ihren eigenen, meist kleinen Grundbesitz. Im Raum des heutigen Gossaus ist ein grosser Teil der Bauern frei.

Ab 1408 tritt im Raum Gossau der Stadtstaat Zürich als neuer Machthaber auf das Parkett. In diesem Jahr erwirbt er von den Herren von Landenberg-Greifensee die Vogtei Grüningen, der Gossau damals untersteht. Schon seit 1350 hat die Stadt Zürich mit einer gezielten, zumeist friedlichen Territorialpolitik auf der Landschaft Gebiete angeeignet, die sich bis 1439 zu einem Umfang auswachsen, der etwa dem heutigen Kanton Zürich entspricht.

Der Stadtstaat übt über seine Vogteien ein Regime aus, das dem städtischen Handwerk und Gewerbe während Jahrhunderten zahlreiche Privilegien auf dem Buckel der Landgemeinden sichert. Seine Macht wird erst 1798 gebrochen, als die vormarschierenden Truppen Napoleons das Ancien Regime stürzen.

Die Höfe und Weiler werden zu Dörfern

Im 15. und 16. Jahrhundert beginnen sich Siedlungen zu Dörfern zu wandeln, denen es nach und nach gelingt, sich Freiheiten zu erkämpfen und von den Grundherren als relativ eigenständige Körperschaften abzugrenzen. Der Grund für diese Entwicklung liegt unter anderem in einem markanten Bevölkerungs-wachstum in dieser Zeit, das bis in die Neuzeit anhält. Um den Zuzug neuer Einwohner einzuschränken und die Übernutzung der Ressourcen zu verhindern, greifen viele Dörfer zu harten Massnahmen. Zum einen verbieten sie kurzerhand Neubauten. So ist zum Beispiel in Ottikon die Zahl der Höfe während Jahrhunderten auf 64 begrenzt. Zum anderen verlangen sie von Neuzuzügern Einkaufsgebühren, deren Höhe von der Herkunft der Einwanderer abhängt. Damit verhindern die Dörfer, dass arme Leute zu Bürgern des Dorfes werden. Nur wer es vermag, wird vollberechtigter Stimmbürger und erhält zusätzlich das Recht, das Gemeindegut - Weideland, Holz, Torf, Kies und Sand - zu nutzen. Alle anderen zählen zur rechtlosen Unterschicht oder bauen sich sogar illegale Häuser ausserhalb des Dorfetters.

Als weitere Reaktion auf das Bevölkerungswachstum beginnen die Dorfgemeinschaften, ihre Grenzen präzise zu ziehen und sich dabei ein möglichst grosses Gebiet anzueignen. Dabei kommt es nicht selten zu Streitigkeiten. Gleichzeitig treten erste Dorfgesetze in Kraft. Für Gossau-Dorf und Bertschikon sind so genannte Offnungen zum Beispiel aus dem Jahr 1619 bekannt. Sie regeln unter anderem die gemeinsame Nutzung der Allmend und des Waldes oder die Bewirtschaftung des Ackerlandes und der Weiden.

Die Reformation und die Wiedertäufer in Gossau

Die in Zürich von Huldrych Zwingli angeführte Reformation bedeutet eine weitreichende Zäsur in der Geschichte der Kirche. In der Stadt und auf dem Land werden die Klöster aufgehoben, die katholischen Geistlichen vertrieben, die Bischöfe entmachtet, Prozessionen, Bilder und Messen abgeschafft. Im Zuge der Reformation bildet sich die radikale Bewegung der Wiedertäufer, denen Zwinglis Bild der neuen Kirche zu wenig weit geht. Sie gibt der unzufriedenen ländlichen Bevölkerung Auftrieb, die sich gegen das drakonische Regime des Stadtstaates zu wehren beginnt. Im Frühling 1525 bricht im Zürcher Oberland ein Aufstand aus. Gossau und seine Umgebung werden zu einer Hochburg der Rebellen, die unter anderem vom Gossauer Jakob Falk angeführt werden. 1527 gelingt es der Zürcher Regierung, die Bewegung der Wiedertäufer niederzuschlagen. Die Anführer werden alle in der Limmat ertränkt.

Schule: Vom Privileg zum Allgemeingut

Schulbildung wird im Mittelalter klein geschrieben und ist Sache der Kirche. Als Lehrer amtet oft der Pfarrer, der sich in der Regel darauf beschränkt, die Kinder auf den sonntäglichen Gottesdienst vorzubereiten. In Gossau wird die erste Schule 1530 neben der Kirche eingerichtet und vorerst von Kindern aus der ganzen Pfarrei besucht. 1583 trennen sich die Schulen von Gossau und Grüningen. 1639 wird an der Kirchgasse eine neue Schulstube und in einem Bauernhaus im Mitteldorf eine zweite eröffnet. 1661 nimmt Ottikon seine erste Schule in Betrieb, und in den anderen Wachten entstehen zwischen 1670 und 1719 nach und nach Nebenschulen. Die Klassen zählen nicht selten bis zu 70 Kinder.

Die Lehrer, die später den Pfarrer ablösen, sind nicht sehr angesehen, meist schlecht ausgebildet und auch schlecht bezahlt. Die ersten beiden Gossauer Lehrer erhalten vom Klosteramt Rüti zusammen 115 Kilogramm Kernen als Lohn und zusätzlich einen von den Eltern bezahlten Betrag von 8 Schilling pro Schulkind und Jahr.

Die Landwirtschaft wird leistungsfähiger

Infolge des rasanten Bevölkerungswachstums im 15. und 16. Jahrhundert wird in vielen Dörfern des Zürcher Oberlands die Nahrung knapp. Die Dorfgemeinschaften reagieren unter anderem mit der Einführung einer neuen, leistungsfähigen Anbaumethode in der Landwirtschaft, der Dreizelgenwirtschaft. Dabei legen die Bauern ihre Grundstücke zusammen und bewirtschaften sie gemeinsam. Das Land wird in drei ungefähr gleich grosse Zelgen (Flurstücke) unterteilt, die rotierend genutzt werden. Älter als diese Anbaumethode ist die weniger ertragreiche Egartenwirtschaft, bei der die Bauern ihr eigenes kleines Ackerstück während zwei Jahren bebauen und dann während fünf bis sieben Jahren ungenutzt stehen lassen. Die Dreizelgenwirtschaft ist im den unteren Wachten Gossaus weit verbreitet, während in den oberen, topografisch bedingt, die Egartenwirtschaft dominiert.

Handwerker und Gewerbler – die mittelalterliche Dorfelite

Das Mittelalter kennt keine Handels- und Gewerbefreiheit. Das ländliche Gewerbe und Handwerk muss sich an den Regeln der städtischen Zünfte orientieren und darf deren Mitgliedern keine Konkurrenz machen. Einige Gewerbe müssen eine vom Stadtstaat erteilte, so genannte Ehafte besitzen. Wer eine solche "Konzession" beansprucht, muss über genügend Kapital verfügen, kann aber auch mit einem stattlichen Einkommen rechnen, da sein Betrieb zumeist eine Monopolstellung innehat.

Tavernen haben als ehaftes Gewerbe das Recht, Gäste zu beherbergen. Der Wirt zahlt für das Tavernenrecht eine einmalige Gebühr, einen jährlichen Zins und eine Steuer auf alkoholische Getränke. In Gossau haben ursprünglich nur zwei Wirte – je einer in Gossau und in Bertschikon – das Recht, Wein auszuschenken. Daneben gibt es aber immer auch illegale Weinschenken, so genannte Winkelwirtschaften, die vom Stillstand, der ehemaligen Kirchenpflege, mit Feuereifer bekämpft werden.

Bevölkerung und Gesellschaft in der Neuzeit

Arme und Reiche in Gossau

Gossau ist im 19. Jahrhundert eine arme Gemeinde. Deshalb versuchen die Behörden bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, die Zuwanderung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen zu unterbinden. Mit den Armen gehen sie - wie übrigens die meisten Schweizer Gemeinden - stets unzimperlich um, vor allem auch, weil sie als faul gelten und ihr Schicksal als selbstverschuldet angesehen wird. Unterstützungsleistungen für Armengenössige, die seit der Helvetik zu den Pflichten der Gemeinden gehören, werden protokollarisch festgehalten und offen publiziert. Die Armen in Gossau werden aber nicht einfach im Stich gelassen. 1855 gründen wohltätige Frauen und Männer des Dorfes einen Armenverein, der schnell zu einer wichtigen Institution in der Gemeinde wird.

Um in ärmlichen Verhältnissen zu leben, muss man aber nicht gleich armengenössig sein. Arm sind nämlich auch die Kleinbauern und Heimarbeiter, die in kleinen und kleinsten Wohnungen zusammengepfercht leben, zumeist in niedrigen, verwinkelten Flarzhäusern, wie sie für das ganze Zürcher Oberland typisch sind. Sie bestehen aus mehreren Wohnungen, Scheunen, Schöpfen, Abort- und Stallanbauten und wachsen im Lauf der Zeit organisch. Bei Bedarf werden sie unterteilt und mit neuen Wohnanbauten versehen. Die Stube wird von den Heimarbeitern in der Textilindustrie oft als Arbeitsplatz genutzt.

Die meisten Flarze sind in der Riegelbauweise erstellt, die vor allem im 18. Jahrhundert Verbreitung findet, als das Holz in den übernutzten Wäldern immer knapper wird. Statt aus Holzbohlen werden die Wände zwischen dem Balkengerippe nun aus einem lehmbestrichenen Ruten- und Strohgeflecht erstellt. Auch die wohlhabenden Vollbauern, Gewerbler und Unternehmer Gossaus bauen sich Riegelhäuser, allerdings in weit prächtigeren Varianten als die Flarze. Beispiele sind etwa das Bebiehaus in Bertschikon (1709) oder das Dürstelerhaus in Unterottikon (vor 1592). Im 19. Jahrhundert verliert der Riegelbau für die Wohlhabenden an Attraktivität und macht dem Massivbau aus Stein Platz.

Das Kirchenunglück von Gossau

Inmitten der politischen Wirren der nachhelvetischen Zeit spielt sich auf dem Gossauer Berg 1820 ein Drama ab, das in der ganzen Schweiz Entsetzen auslöst. Am 22. Juni 1820 freut sich ganz Gossau auf die bevorstehende Feier zur Aufrichte der neuen reformierten Kirche. Von der Decke sind erst die Querbalken und ein provisorischer Bretterboden angebracht, das Stützwerk des Dachstuhls fehlt aber noch, und das erweist sich als fatal. Obwohl sie die Handwerker abzuhalten versuchen, stürmen die Festteilnehmer massenweise den luftigen Ausguck auf dem Dachboden. Schliesslich drängelt sich auf dem ungesicherten Dachboden eine Menschenmenge, deren Zahl "man bey siebenhundert schätzt", wie ein historisches Trauerlied zu berichten weiss.

Eine halbe Stunde nach Beginn der Feier ist plötzlich ein Ohren betäubendes Krachen zu hören, die Querbalken brechen in der Mitte entzwei und fallen samt den Menschen in die Tiefe. "Jetzt aber erhob sich ein Mark und Gebein durchdringendes Geschrey der in die Balken eingekeilten Verwundeten, Zerschlagenen", gab der Pfarrer danach zu Protokoll. Die traurige Bilanz: 25 Tote und gegen 300 Verletzte. In der ganzen Schweiz rollt eine beispiellose Solidaritätswelle an. Rund 6000 Gulden werden gespendet. Am 25. Juni 1820 werden die Opfer in Begleitung von mehr als 10'000 Menschen beerdigt.

Die Schule wird ausgebaut

Mit der liberalen Revolution von 1831 bricht im Zürcher Bildungswesen eine neue Ära an. Die Schule ist nun für alle Kinder obligatorisch. Gossau errichtet in dieser Zeit sein erstes Schulhaus an der Halden. Es kann nur dank vieler Frondienste und gratis geliefertem Bauholz gebaut werden. Die im 19. Jahrhundert erstellten Schulhäuser genügen den Bedürfnissen lange Zeit. In Gossau-Dorf muss erst 1950 ein neues Primarschulhaus gebaut werden, ein Jahr später folgt das erste Oberstufenschulhaus. Seither hat sich das Schulwesen in Gossau parallel zum Bevölkerungswachstum stark entwickelt.

Neue Treffpunkte im Dorf

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehen in Gossau erste Vereine, die sich rasch zu einem wichtigen Teil des Dorflebens entwickeln. 1845 wird der Männergesangsverein Ottikon gegründet, 1870 der Männerchor Gossau. In den folgenden Jahrzehnten erblicken viele weitere Vereine das Licht der Welt. Sie sind nicht nur Teil der Freizeitgestaltung, sondern ein gesellschaftspolitischer Brennpunkt. Wer im Dorf ein Wort mitreden, in die lokale oder kantonale Politik einsteigen will, tut gut daran, sich in einem möglichst einflussreichen Verein zu engagieren.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts treten neben die Vereine auch kommerzielle Freizeitangebote. Besonders initiativ ist dabei Baumeister und Kantonsrat Wilhelm Heusser. Er veranlasst 1915 den Bau der ersten Gossauer Badi, initiiert die Einrichtung eines Eisfeldes, gründet die Altrüti-Stiftung, verhilft der Gemeinde zu einem kulturellen Zentrum und ruft den Jugendfestfonds ins Leben. Heute verfügt Gossau über ein vielfältiges Freizeitangebot und ein reges Vereinsleben mit rund 50 Vereinen.

Die Katholiken sind zurück

Die Reformation hat im Zürcher Oberland so nachhaltig gewirkt, dass die katholische Kirche quasi vom Erdboden verschwunden ist. Erst nach und nach ziehen wieder Katholiken nach Gossau. Die Sonntagsmesse besuchen sie vorerst in Wetzikon, wo 1890 die Missionspfarrei gegründet und 1923 die Sankt Franziskuskirche eingeweiht wird. Mitte der 1950er-Jahre verwirklicht die katholische Gemeinde Gossaus ihren Traum eines eigenen Gotteshauses. Am Laufenbach findet sich ein preisgünstiges Grundstück. Für die Finanzierung gewähren einige wohlhabende Katholiken zinsgünstige Darlehen, daneben wird ein Wochenbatzen eingeführt. Auch die in die ganze Schweiz verschickten Bettelbriefe werden von grosszügigen Spendern erhört. Schliesslich kann am 5. Mai 1959 die neue katholische Mariae-Krönungs-Kirche eingeweiht werden.

Das Wachstum als Freude und als Ärger

Zu Beginn der 1950er-Jahre setzt in Gossau ein weiteres, kräftiges Bevölkerungswachstum ein, das bis heute anhält. Die einst mausarme Gemeinde gewinnt deutlich an Finanzkraft. Zwischen die idyllischen Flarze, Riegel- und Steinhäuser zwängen sich mehr und mehr moderne Neubauten. Bis 1955 sind es vor allem Einfamilienhäuser, danach verlagert sich die Entwicklung zu Wohnüberbauungen. Von 1965 bis 1975 wächst die Gemeinde von 3381 auf 6003 Einwohnerinnen und Einwohner, 2010 zählt sie bereits 9600. Der kontinuierliche Zuzug zeugt davon, dass Gossau mit seiner gesunden Durchmischung von Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft als attraktive Gemeinde empfunden wird.

Wirtschaft Gossaus in der Neuzeit

Die Bauern werden Heimarbeiter

Zwischen 1634 und 1836 steigt die Bevölkerungszahl im Gossau von 977 auf 3118. Das zwingt das Bauerndorf, seine wirtschaftliche Basis zu erweitern und neben dem Ackerbau in die Viehzucht und Milchwirtschaft zu diversifizieren. Trotzdem ist die Landwirtschaft nicht mehr in der Lage, allen Gossauer Bauernfamilien eine Existenzgrundlage zu bieten. So versuchen viele ihr Glück in der Heimarbeit. Bald schon stehen in den meisten Gossauer Kleinbauernhäusern Spinnräder und Webrahmen. Betrieben werden sie in erster Linie von Frauen und Kindern, während sich die Männer um die Landwirtschaft kümmern. Schon im 18. Jahrhundert lebt rund die Hälfte der erwerbstätigen Gossauer von der Heimarbeit. Die Baumwolle wird ihnen von den städtischen Handelshäusern geliefert, wobei der Fergger als Mittelsmann fungiert und die fertige Ware auch wieder zurück an den Auftraggeber liefert.

Milch und Wein

Im 19. Jahrhundert wird der Ackerbau zunehmend von der Milchwirtschaft abgelöst. Im ganzen Kanton entstehen Milchsammelstellen und Kleinkäsereien. Gossau zählt um das Jahr 1900 bereits 19 Sennereien. Kleinbauern, die sich die hohen Investitionen in Milchvieh nicht leisten können, geben ihre Betriebe reihenweise auf. So spaltet sich die berufstätige Bevölkerung in den Gossauer Wachten zunehmend in Vollbauern und Fabrikarbeiter. Auch der Rebbau, der in Gossau seit dem Spätmittelalter nachgewiesen ist, legt in dieser Zeit kräftig zu. Bald schon findet man überall an geeigneten Lagen grössere und kleinere Rebberge. So ist etwa der langgestreckte, geschützte und sonnige Hügelzug von Ottikon über die Altrüti bis zum Kirchhügel über und über von Reben bedeckt. Später wird der Weinbau in Gossau wegen Reblausbefalls weitgehend aufgegeben.

Die Fabriken kommen

Die Heimindustrie sichert vielen kleinen Bauern ein - wenn auch kärgliches - Einkommen. Die industrielle Revolution, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts einsetzt, macht ihr aber nach und nach den Garaus. Im ganzen Land schiessen Textilbetriebe wie Pilze aus dem Boden. In Gossau wird die erste Baumwollspinnerei 1816 in einem rückwärtigen Anbau der Taverne Krone in Bertschikon eingerichtet. Im selben Jahr wird die Mühle in Gossau-Dorf, die einst an Stelle der heutigen Accum stand, in eine Baumwollspinnerei umfunktioniert. Ihr folgen eine Färberei bei der mittleren Mühle, eine Baumwollspinnerei auf dem Tannenberg und eine Baumwollfabrik im Unterdorf. Die Heimarbeiter sehen sich nunmehr gezwungen, zu Tiefstlöhnen und unter oft unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken zu arbeiten.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts verschiebt sich die Baumwollverarbeitung zunehmend in grössere Fabriken. Gossau vermag mit dieser Entwicklung nicht Schritt zu halten, weil der Dorfbach zu wenig Energie liefern kann. So weichen einige Unternehmer in die aufstrebende Seidenindustrie aus. Erfolgreich ist dabei die Fabrik auf dem Tannenberg, die zum grössten Industriebetrieb des Dorfes avanciert. Ebenso gut hält sich die Wetziker JDEWE, die in Unterottikon eine Seidenwinderei betreibt. Der Besitzer Johann Jakob Dürsteler kauft auch das prächtige Wohnhaus neben der Fabrik, das heute seinen Namen trägt. Die Seidenfabrikation bleibt in der Schweiz eine Leitindustrie, bis die Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren ihren Untergang einläutet.

Von der Postkutsche zur Eisenbahn

Bevor es Postkutschen und Poststellen gab, wurden Nachrichten und Briefe zumeist von laufenden Boten übermittelt. Auch zwischen Zürich und Gossau verkehrt ein solcher Kurier, zuerst einmal, dann zweimal in der Woche. Mit der Zeit hält sich jede Gemeinde im Zürcher Oberland einen Boten, den so genannten Pott. In Gossau nimmt noch um das Jahr 1900 Rudolf Künzli, der "Potte-Ruedi", diese Aufgabe mit seinem Ochsengespann wahr. Ab 1836 macht in der Fuchsrüti zweimal pro Woche eine Postkutsche Halt. Sie ist bis zum Bau der Eisenbahn die einzige regelmässige Verbindung zwischen den Dörfern des Zürcher Oberlands und der Stadt Zürich.

Die 1830 eingesetzte liberale Kantonsregierung forciert den Bau eines leistungsfähigen Strassennetzes, das sie als entscheidende Voraussetzung für eine prosperierende Wirtschaft erachtet. Unter anderem errichtet sie 1844 die Strasse von Stäfa über Grüningen und Ottikon nach Wetzikon und von 1848 bis 1853 die neue Forchstrasse. Für die lokalen Strassen sind die Zivilgemeinden zuständig, die mit dieser Aufgabe öfters finanziell überfordert sind. Um ihren Pflichten nachzukommen, führen sie so genannte Strassenrotten ein, in denen die männlichen Dorfbewohner in die Pflicht genommen werden.

Schliesslich wird ab den 1850er-Jahren die ganze Schweiz durch ein Eisenbahnnetz erschlossen. Weil die grossen Eisenbahngesellschaften das Zürcher Oberland dabei links liegen lassen, bauen einige Ustermer Unternehmer die Glattthal-Bahn, die von Wallisellen über Uster nach Wetzikon, Rüti und Rapperswil führt. Gossau erhält 1903 mit der Wetzikon-Meilen-Bahn einen Anschluss an diese Linie. 1950 wird die Trambahn aus dem Verkehr gezogen. Ihre Strecke decken fortan die Autobusse der 1946 gegründeten Verkehrsbetriebe Zürcher Oberland ab.

Die moderne Wasserversorgung entsteht

Ebenso wichtig für das Gedeihen eines Dorfes und seiner Wirtschaft ist die Wasserversorgung. Gossau ist hier auf der sicheren Seite, denn das Dorf liegt über einem riesigen Grundwasserstrom. Während Jahrhunderten gewinnen die Menschen dieses Wasser aus Schöpf-, Zieh- und Laufbrunnen. Schon sehr früh bilden sich in den Gossauer Wachten Brunnengenossenschaften, die dafür sorgen, dass die Brunnen und Quellen einwandfreies Wasser liefern. In Grüt gründen zwei Gewerbler 1897 die erste private Wasserversorgung, in die sich nach und nach das ganze Dorf einkauft. Schliesslich tritt die Wacht der 1932 gebildeten Wasserversorgung Grüt-Berg/Gossau-Brand bei, die ihr Trinkwasser mittels eines Pumpwerks im Seewadel ans Tageslicht fördert. Unter- und Oberottikon bauen 1932/33 mit weiteren Wassergenossenschaften eine gemeinsame Grundwasserversorgung samt Leitungen. 1956 entsteht auf dieser Basis die Gruppenwasserversorgung Zürcher Oberland, die heute über 90'000 Einwohner in einem 18'000 Hektar grossen Gebiet versorgt.

Die Kriegs- und Krisenjahre

In den Kriegs- und Krisenjahren des 20. Jahrhunderts macht die Gossauer Wirtschaft eine schwierige Phase durch. Die Textilindustrie verliert an Bedeutung, und auch in Gossau schliessen verschiedene Fabriken ihre Tore, darunter 1930 die Seidenweberei Tannenberg. Der Gemeinderat versucht, neue Industrien für den Standort Gossau zu gewinnen. 1931 zieht die auf Heiztechnik spezialisierte Firma Accum ins Dorf und entwickelt sich rasch zum wichtigsten Arbeitgeber. Und in der einstigen Seidenweberei beginnt die Firma E. Hauser mit einer Champignonzucht.

Von 1941 bis 1943 wird das Gossauer Ried im Rahmen des Wahlen-Plans drastisch umgestaltet. Die von Kanton und Bund mitfinanzierten Arbeiten sind Teil der so genannten Anbauschlacht, die vom ETH-Agronomen und späteren Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen initiiert wird. Meliorationen bilden beim Vorhaben, die Schweiz zum Selbstversorgerland zu machen, einen wesentlichen Faktor. In Gossau werden 746 Hektaren Riedland entwässert, Bäche kanalisiert und 120 Kilometer neue Feldstrassen gebaut. Dank dieser Massnahme gewinnt die Landwirtschaft viel neuen Boden. Dafür geht ein Stück wertvolle Naturlandschaft mit einer reichen Flora und Fauna unwiderruflich verloren.

Die Hochkonjunktur der Nachkriegszeit

Zwischen 1950 und 1990 wächst die Gossauer Bevölkerung um das Dreifache. Im Dorf entwickelt sich ein blühendes Baugewerbe. Der Bauboom hat zur Folge, dass viele ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter, vor allem Italiener, nach Gossau ziehen. In den 1960er-Jahren arbeitet rund ein Drittel der Dorfbevölkerung in der Baubranche, ein weiteres Drittel in der Landwirtschaft und das letzte Drittel in der Industrie. Noch heute ist Gossau eine Gemeinde, die von Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie gleichermassen geprägt ist.

Quelle: gossau-zh.ch

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